Da lese ich am Mittwoch, dass die lokalen Reisebüros in Lörrach demonstrieren und besondere Staatshilfen fordern, da sie besonders durch die Corona-Pandemie betroffen seien. Es ist sicher richtig und wichtig, in der Not das Augenmerk auf die zu richten, die besonders hart getroffen sind. Mit ihrem Schritt in die Öffentlichkeit tragen die Reisebüros auch dazu bei, einen Diskurs darüber zu führen, ob nun vorrangig Menschen oder Unternehmen geholfen werden soll, und wenn ja: welchen Menschen und welchen Unternehmen. Hier nehme ich allerdings zunehmen wahr, dass Egoismen sich durchsetzen und nicht das Gesamtsystem gesehen wird – weder von denen, die Hilfen einfordern, noch von der Politik, die über die Verwendung der Gelder der Steuerzahler entscheidet. So haben doch auch gerade viele dieser Reisebüros in der Vergangenheit von der Reiselust der Bevölkerung profitiert, sind gewachsen – manche haben sich gar erst neu gegründet (Umsatzwachstum 208 vs 2010: 23,3%*). Und wieviele Reisebüros haben sich auf Fern- & Flugreisen sowie Kreuzfahrten spezialisiert, ohne einen signifikanten Beitrag zur Eindämmung der ökologischen Folgen zu leisten. Ja selbst an der Verbreitung des Corona-Virus waren Reisebüros möglicherweise mitbeteiligt.
Was wir nun sehen, ist das Wegbrechen des Existenzgrundes zahlreicher Unternehmen, aber auch zahlreicher Berufstätiger. Da können Soforthilfen den ersten Schmerz lindern. Es fragt sich aber, ob eine Rückkehr zur Zeit vor Corona überhaupt möglich respektive wünschenswert ist? Wollen wir in Zukunft denn wirklich wieder weiter so reisen, wie wir das bisher getan haben? Unser Reisebudget jährlich um 5%* steigern – wie in der Vergangenheit? Oder denken wir mal nach über den Sinn des Reisens, die Alternativen, die Möglichkeiten in der Region, die Reduktion all der negativen Effekte nach – und reisen von nun an entweder für längere Zeit in die Ferne (was uns viel bessere Möglichkeiten bietet, Land und Leute kennen zu lernen und uns global zu vernetzen) und / oder verstärkt innerhalb der Region, eben einfach langsamer und intensiver?
Wenn sich Reisebüros heute solche Fragen stellen würden, dann könnten Unternehmen, die beginnen, einen Beitrag zu Umwelt, Regionalisierung und Gemeinwohl zu leisten, wirtschaftlich gefördert werden: Mit den Finanzmitteln würden gleich zwei Ziele erreicht: Not lindern und Anreize zur Umstellung schaffen.
Reisebüros – aber auch alle anderen Unternehmen – werden von der Corona-Krise deutlich eingeladen, ihren Sinngrund zu überprüfen – und nicht ihren Existenzgrund von der Steuerzahler*in sicherstellen zu lassen.