Liebe Lörracher Attacies,
liebe Freundinnen und Freunde von Attac und von Attac-Lörrach
1. DAS URTEIL UND DER HINTERGRUND
Am Dienstag (26.02.) hat das höchste deutsche Finanzgericht, der
Bundesfinanzhof (BFH), ein verheerendes Signal für Attac und für alle
zivilgesellschaftlichen Organisationen gesandt. Am vorläufigen Ende
eines seit fünf Jahren andauernden Streits über unsere
Gemeinnützigkeit urteilte der BFH, dass die Grenzen für politisches
Engagement für gemeinnützige Organisationen viel enger zu setzen
seien, als 2016 durch das Hessische Finanzgericht geschehen – welches
unsere Gemeinnützigkeit damals ohne Wenn and Aber bestätigt hatte. Der
Streitfall wurde jetzt vom BFH an die Unterinstanz zurückverwiesen mit
der Maßgabe, ihn neu nach den engeren Grenzen zu entscheiden. Das
Ergebnis ist absehbar.
Kern des BFH-Urteils ist die ungeheuerliche Feststellung:
„EINFLUSSNAHME AUF POLITISCHE WILLENSBILDUNG UND GESTALTUNG DER
ÖFFENTLICHEN MEINUNG … ERFÜLLT KEINEN GEMEINNÜTZIGEN ZWECK“. Die
Arbeit von Attac sei zu „tagespolitisch“, so die Richter des BFH
weiter. Das ist eine schockierende Einschätzung für alle, die aktiv
außerhalb der politischen Parteien für eine bessere Welt eintreten.
Deshalb müssen nun alle Organisationen der Zivilgesellschaft, die sich
zu Themen wie Steuerflucht, Asylpolitik, Rechtspopulismus oder
Freihandel äußern, um ihre Gemeinnützigkeit fürchten.
Positive Veränderungen beginnen jedoch immer damit, ein öffentliches
Bewusstsein für ein Problem zu schaffen sowie dafür
Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Dazu bedarf es der Mitwirkung der
Menschen am gesellschaftlichen Diskurs und eine informierte
Öffentlichkeit, die von der Politik Transparenz einfordern sowie z.B.
die Lobbymacht der finanzstarken Konzerne öffentlich machen kann.
Und genau das macht Attac seit seiner Gründung: Seit dem Jahr 2000
betreiben wir aktive Aufklärung und Kampagnen, u.a. für
Steuergerechtigkeit, für globale soziale Rechte, für gerechten
Welthandel, für ein nachhaltiges und klimaverträgliches
Wirtschaftssystem und für vieles mehr. Und das soll nicht gemeinnützig
sein?
Dagegen wird die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik, die die
Rüstungslobby vertritt, als gemeinnützig eingestuft. Genau wie der
Förderverein der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, die von
Arbeitgeberverbänden getragen wird. Die Stiftung Familienunternehmen
hat von dem eingesparten Geld im Interesse ihrer Mitglieder eine
Kampagne gegen die Erbschaftsteuer für Unternehmer gemacht. Und diese
Organisationen sollen – im Gegensatz zu Attac – gemeinnützig sein?
und andere Beispiele: https://arbeitsunrecht.de/bundesfinanzhof-privat-unternehmer-und-ihre-lobby-als-wahre-foerderer-des-gemeinwesens/
Weitere Informationen zum juristischen Vorgang findet ihr / finden Sie
hier [1] auf der attac-Homepage; noch mehr Details dazu gibt es auf der
Hintergrund-Seite [2].
2. REAKTIONEN AUF DAS URTEIL
· ATTAC selbst hat folgende Presseerklärung [3] dazu
herausgegeben. Zudem hat unsere PRESSESPRECHERIN FRAUKE DISTELRAT
folgendes Interview [4] mit der Süddeutschen Zeitung (SZ) geführt.
· EINE DER EINDRINGLICHSTEN VERURTEILUNGEN DES URTEILS erfolgt
in diesem Video von Heribert Prantl [5] von der SZ, einem der
angesehensten Journalisten der Republik. Prantl nennt das Urteil u.a.:
„_eine befremdliche, eine ungute, eine falsche Entscheidung … eine
Entscheidung gegen die bunte und vielfältige Demokratie, gegen die
Zivilgesellschaft … diese Entscheidung ist vordemokratisch_“.
· WEITERE PRESSEERKLÄRUNGEN dazu sind hier [6] zu finden.
· SOLIDARITÄTSERKLÄRUNGEN von Organisationen, u.a. von BUND, Lobby Control,
Greenpeace, Pro Asyl, Grüne Jugend, Mehr Demokratie, sowie auch von
Einzelpersonen, sind hier [7] verlinkt. Auch die Linke hat sich klar dazu Stellung genommen
3. WAS KANN JEDER / JEDE TUN?
Diese Entscheidung erschwert unsere Arbeit, das steht außer Frage. Dies
gilt nicht nur einfach deshalb, weil Spenden an Attac steuerlich nicht
mehr absetzbar sind; so erläutert Frauke Distelrath von Attac im
Interview oben, dass gemeinnützige Vereine uns bei Kongressen u. ä.
nicht mehr finanziell unterstützen dürfen; auch dürfen manche Räume
wie z.B. Schulen nur an gemeinnützige Organisationen für
Veranstaltungen vergeben werden – und somit nicht mehr an uns. So musste
z.B. die Attac-Sommerakademie letztes Jahr abgesagt werden, weil keine
passenden Räume gefunden werden konnten.
DESWEGEN UNSERE BITTE AN SIE / EUCH:
Jetzt erst recht: Bleibt Attac bitte auch nach dieser unsäglichen
Entscheidung treu! Wenn Ihr noch kein attac-Mitglied seid, dann wäre es
vielleicht überlegenswert, Mitglied [8] zu werden. Und unterstützt uns
weiterhin ideell, aktiv und – wenn möglich – auch finanziell mit
einer Spende [9] – denn wir haben noch einen langen Weg vor uns zu
einer besseren und gerechteren Welt.
Ich würde mir darüber eine bereite Diskussion wünschen.Es trifft alle Organisationen die sich Politisch äußern ,und ist ein verheerendes Signal
für alle die sich in Ihrer Freizeit außerhalb von Parteien politisch betätigen.